Es hat lange gedauert, bis ich meinen Anblick ertragen konnte

Beim ersten Blick in den Spiegel erkannte ich nur noch meine Augen. Zehn Wochen zuvor war in meinem Gartenhaus eine Gasflasche explodiert. Ich stand daneben. Lebensgefahr, acht Wochen Koma: 40 Prozent meiner Hautoberfläche waren verbrannt. Auch das ganze Gesicht. Als ich es nun sah, feuerrot und geschwollen, dachte ich voller Entsetzen: Oh Gott!

Dann habe ich gehofft und auf Heilung gewartet. Ich bin ein positiv denkender Mensch. So leicht haut mich nichts um. Auch das nicht. Als ich nach 18 Monaten aus der Klinik entlassen wurde, hatte ich Betreuer, die von Anfang an raus auf die Straße mit mir gegangen sind. Sie haben mich so abgelenkt, dass ich gar nicht weiß, ob ich angestarrt wurde.

Das Schlimmste für mich war: Jedes Mal, wenn du dein Spiegelbild siehst, willst du einfach nur aussehen wie vorher. Stattdessen blickt dich so eine hässliche Ente an. Es hat Jahre gedauert, bis ich meinen Weg wiederfand, mein Aussehen ertragen konnte. Ich habe mir mit Permanent-Make-up neue Augenbrauen machen lassen und bin zum plastischen Chirurgen gegangen. Meine Augen waren seitlich zugewachsen und dann das Problem mit meinem Mund: Durch die Hautverpflanzungen war er so klein geworden, dass ich weder in einen Apfel beißen noch richtig lachen konnte. Das kann ich jetzt wieder – Gott sei Dank. Ich würde nicht sagen, dass ich mich nach diesen Behandlungen schöner fühlte – aber ich fühlte mich besser. Eine Weile versuchte ich auch, mit Make-up das Schlimmste abzudecken. Ich hatte ja noch meine ganze Kosmetik aus der Zeit vor dem Unfall. Inzwischen mache ich das nicht mehr. Ich habe mich abgefunden mit meinem Aussehen.

Ein einziges Mal traute ich mich zu einer Verabredung mit einem Mann. Ich hatte eine Kontaktanzeige aufgegeben. Es war eine Katastrophe, obwohl ich ihn vorgewarnt hatte. Er ging mit mir in eine Seitenstraße und meinte, so schlimm habe er sich das nicht vorstellt. Er müsse schließlich repräsentieren. Weg war er. Das tat weh. Vielleicht finde ich ja noch mal einen Partner aber ein guter Freund wäre mir eigentlich wichtiger. Partner eines Brandopfers haben es nicht leicht: Die Narben sind nur ein äußeres Zeichen dafür, wie sehr die Seele verletzt ist.

Quelle: Bild am Sonntag

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