Mein Name ist Angela Boß, ich bin 49 Jahre alt und gelernte Hotelfachfrau.
Durch meine Laufbahn im Hotelwesen bin ich viel gereist und habe lange in Kanada und Irland gelebt. Aufgrund von familiären Schicksalsschlägen bin ich wieder nach Deutschland gezogen, um mich um meine Mutter zu kümmern.
Der nächste Schicksalsschlag erfolgte am 22.12.2010. Es explodierte ein Wasser führender Kamin, mit 36 KW, im Haus meiner Mutter.
Es war das Jahr der großen Schneekatastrohe mit einem Temperaturabfall, innerhalb von 1 Tag, von +10Grad auf -15 Grad, Blitz Eis und starkem Schneefall.
Zurzeit der Explosion befanden sich ca. 80l Wasser, aus welchen ca. 80.000l Wasserdampf entstanden, im Kessel.
Ich stand 2m, seitlich vom Kamin. Aufgrund der Druckwelle wurde ich gegen die dahinter liegende Wand geschleudert und 38% Brandverletzt (von Kopf bis Fuß).
Zum Zeitpunkt der Explosion befand sich außer meiner Person nur noch mein Hund, „Assi“ und der Monteur, einer Fachfirma, im Haus. Dieser war im OG um die die geplatzte Leitung, defekte Austauschpumpe zu reparieren und um Wasser auf das Heizungssystem zu füllen. Der Explosion voraus gegangen war ein Wasserrohrbruch am 18.12.2010, eigentlich ein kleiner Schaden.
Ich war die ganze Zeit bei vollem Bewusstsein, die Gedanken rasten und es liefen Bilder meines Lebens an mir vorbei. Ich dachte jetzt stirbst Du, das kann es nicht gewesen sein. Plötzlich hatte ich keine Schmerzen mehr und sah mich am Boden liegen. Später erklärte man mir, dass dieses ein Nahtoderlebnis gewesen war. Seither habe ich keine Angst mehr vor dem Tod nur das Sterben an sich mit Schmerzen und dem loslassen von Vertrautem, Familie war schwer für einen kurzem Moment. Denn man ist nicht allein auf der anderen Seite, das habe ich sehen und spüren können. Man wird erwartet wenn seine Zeit gekommen ist! Nachdem ich losgelassen habe, in das Licht gehen wollte, fing mein Hund an zu schreien, wie ich noch nie ein Tier hab schreien hören. Ich wollte nicht zurück, da ich das Gefühl der Ruhe hatte, keine Kraft mehr um zu kämpfen. Je mehr ich zögerte je lauter wurde Assi. Ich kämpfte mich zurück um ihr zu helfen, denn ich dachte sie ist schwer verletzt und schreit daher. Ich dachte ich muss zu ihr um dann gemeinsam mit ihr auf die andere Seite zu gehen. Ich fand die Kraft zurück in meinen Körper, hatte plötzlich wieder unbändige Schmerzen, konnte nicht atmen. Da ich unter den Steinen des Kamins lag und mit meinem linken Bein teilweise im offenen Feuer konnte ich mich nur schwer befreien. Sie hörte erst auf zu schreien als ich aufstand. Ich habe noch nie so fehlerfrei das „Vater Unser“ gebetet, nach Gott für Kraft gefleht und nach meinem verstobenen Vater gerufen wie in diesem Moment. Bis heute weiß ich nicht woher die Hilfe und Kraft kam, aber es war als wenn mir jemand unter die Arme greift und mir einen kleinen letzten Schubs gab um aufzustehen. Dabei habe ich mir schwere Schnittverletzungen an den Beinen zugezogen. Je mehr ich kämpfte je ruhiger wurde Assi, sie stand an meinem linken Bein und versuchte im offenen Feuer zu graben.
Mein Hund „Assi“ hat mich aus dem Haus geführt und sich mir in den Weg gestellt, wenn ich die falsche Richtung einschlug. Ich wollte LEBEN denn jetzt stand ich ja schon und Assi war nicht schwer verletzt, soweit ich es erkenne konnte, den sie wich nicht mehr von meiner Seite. Jede Sekunde die ich meine Schmerzen spürte wollte ich nur noch davor weglaufen und dies trieb mich an, Hilfe zu erhalten und zu kämpfen.
Der Monteur, welcher sich im OG befand, hat lt. seiner Aussage den Notruf gewählt. Er hat danach sofort seinen Chef per Handy angerufen und mich um Hilfe schreien lassen, ohne sich vorerst bemerkbar zu machen.
Kurz bevor wir den Weg ins Freie gefunden hatten, hörte ich den Monteur fragen ob mit mir alles Ok wäre! Zu diesem Zeitpunkt waren bereits einige Minuten vergangen, in welchen ich vor Schmerzen und nach Hilfe geschrieen habe.
In der Zwischenzeit war der erste Löschzug der Feuerwehr eingetroffen. Beim rausgehen aus dem Haus sah ich nur meine Nachbarin, den Monteur und einen Feuerwehrmann, welche bei meinem Anblick stehen blieben. In diesem Moment wurde mir bewusst das ich sehr schwer verletzt sein muss, da ich das Entsetzen meiner Mitmenschen erkennen konnte. Dieses war das Letzte was ich sehen konnte bevor mein Augenlicht erlosch. Es war alles weiß wie in einer Nebelwand.
Am Hauseingang nahm mich unsere Nachbarin in Empfang. Ich flehte sie an mir meine Kleider auszuziehen. Erklärte ihr wo eine Schere im Haus liegt und das ich immer noch brenne. Keiner bemerkte das Glut von Holz und Kohle sich in meinem linken Ärmel und unterhalb der Kleidung befand.
Aufgrund der schlechten Wetterbedingungen flog der Rettungshubschrauber nicht, somit wurde ich per RTW in die Spezialklinik Boberg nach Hamburg gefahren.
Meine Verletzungen waren erheblich und ich hatte eine Überlebenschance von 10%. Dank der Entscheidung des Arztes vor Ort mich sofort ins Koma zu versetzen und des Klinikarztes, mit einem Versuch mein Gesicht zu retten, welches man bis dato so noch nicht versucht hatte. Somit habe ich mein Gesicht behalten und sehe heute fast genauso wie vor dem Unfall aus, wenigstens vom Gesicht her.
Ich hatte unglaubliches Vertrauen zu den Ärzten und ich wollte leben, denn das konnte es nicht gewesen sein. Nicht nach diesem Erlebnis, den Schmerzen und der Gewissheit das ich noch Aufgaben habe in diesem Leben.
Die Diagnosen der Ärzte waren niederschmetternd, da man mir sagte, dass ich nie wieder richtig sehen könnte aufgrund der Verbrennung und Schnittverletzungen meiner Augen. Das man große Bereiche meiner Verbrennungen Hauttransplantieren muss. Damals hatte ich keine Ahnung wie schrecklich und schmerzhaft Hauttransplantate sind und wie man damit aussieht. Nach dem ersten Schock war ich überzeugt, ich werde wieder sehen, denn ich will und werde alles Mögliche Tun um dieses zu schaffen.
Am schlimmsten war am Anfang, dass ich gar nichts sehen konnte. Keine Orientierung hatte weder am Unfallort noch auf der Intensivstation. Ich habe sehr lange nicht begriffen wie schwer verletzt ich wirklich bin. Ich konnte noch nicht einmal erahnen wie meine Brandverletzungen aussahen oder mich mit dem Pflegepersonal und Ärzten direkt kommunizieren.
Heute habe ich auf dem rechten Auge 100% und auf dem linken Auge 65% Sehkraft. Die Verbesserung mit meinem linken Auge, von 20% auf 65%, ist erst im letzten Jahr eingetreten.
Die Folgeerscheinungen dieses Unfalls sind Lymphabflussstörungen im gesamten Körper, Narbenschmerzen, Nebenwirkungen der Medikamente, Panikattacken, Depression. Ich habe bis heute keine psychologische Betreuung erhalten außer vom Krankenhaus durch die Seelsorgerin. Meine Familie, Freunde und mein Lebenswille haben mir geholfen wieder ganz „Normal“ zu wirken und zu leben.
Ich arbeite Teilzeit als Geschäftsführerin in einer kleinen Immobilienfirma und genieße das neue Lebensgefühl.
In diesem Sinne
Danke, dass ich meine Geschichte mit Euch teilen darf … +++
Angela Boß
Nachfolgend Bilder vor dem Unfall, Unfalltag, 2013 und heute