Überlebter Flugzeugabsturz

Es ist jetzt schon über 10 Jahre her, dass ich bei einem Flugzeugabsturz zu 85% mit zweit- und drittgradigen Verbrennungen davonkam. Sprichwörtlich bin ich damals dem Tod von der Schippe gesprungen. Mein Freund, Harald, hatte weniger Glück. Einen Monat nach dem Unfall starb er letztlich an den Folgen der Verletzungen.

Ich jedoch habe überlebt. Die ersten Jahre weniger, später dann etwas mehr. Das erste Jahr im Krankenhaus war schrecklich. Nicht, dass ich mich viel an die ersten Monate erinnern kann. Ich lag in Edmonton, Kanada im Universitätskrankenhaus. Dort besuchten mich liebe Menschen die irgendwann einmal mit mir in Verbindung standen. Tracey, mit der ich in Neuseeland auf der Flugschule zusammen lernte und die flog wie eine besessene. Nicole, mit der ich einst in Dänemark die Dünen unsicher gemacht hatte. Michael, mein bis dato bester Freund, der in Kalifornien arbeitet und meiner Mutter überaus vorsichtig eine schreckliche Nachricht beibrachte. Natürlich kamen auch meine Schwester Irene und meine Mutter vorbei. Vorbei! Naja, immerhin waren das bei jedem einzelnen mehrere tausend Kilometer Anreise.

Dennoch erinnere ich mich nur schemenhaft an diese Besuche. Sie waren unheimlich wichtig für meine Genesung, aber erinnern kann ich mich nicht so recht an sie. Darin liegt natürlich ein Problem. Man kann sich nur schwerlich für etwas gebührend bedanken, an das man sich kaum erinnern kann. Dennoch danke ich allen sehr.
Nach ein paar Monaten bin ich dann nach Hamburg verlegt worden. Ich hatte vor meinem Unfall in Hamburg studiert und diese Stadt lieben gelernt. Ihre Menschen sind immer hilfsbereit egal wohin man sich wendet. Dass ich in Hamburg gelandet bin war eher Zufall. Zwei Ärzte aus verschiedenen Welten die sich über einen Patienten unterhalten und letztlich von einem zum anderen transferieren.

Glücklich bin ich in Hamburg nicht geworden. Dazu waren meine Verletzungen zu dramatisch. Die Zeit ging vorbei, und nach über 13 Monaten in zwei Krankenhäusern, nach unzähligen Verbandswechseln und tausend Mal so vielen Tränen über einen verlorenen Freund wurde ich in die Welt entlassen. Und diese Welt war nicht auf mich vorbereitet. Ich bezog eine Wohnung in der Nähe von Hamburg. Jeden Tag trottete ich zur Krankengymnastik. Und ich engagierte mich für Phoenix Deutschland. Einer Organisation der ich mit vielen Idealisten das Leben eingehaucht hatte. Einer Organisation, die ohne die stetige Eselsgeduld einer Ilse Koch, niemals entstanden wäre.

Während ich heute hier so sitze, und diese Sätze in den Computer tippe wird mir klar, wie sehr mich diese Geschichte verändert hat. Ich habe Menschen kennengelernt die sonst nie kennengelernt hätte. Ich wurde berührt, wie ich sonst nie berührt worden wäre. Und ich habe lieben gelernt, wie nur ein Brandverletzter lieben lernen kann. Ich möchte viele Menschen, die aus diesem Schicksal entsprungen sind, nie missen. Aber stellvertretend möchte ich Ilse, meine beste Freundin, und Tina nennen. Sie sind die Erinnerung an das Gute meines Schicksals. Und dennoch ist unser Schicksal schrecklich. Die Seele verbrennt in dem Feuer öfters als sie es nicht tut. Ich hatte das Glück, dass meine Seele mehr oder weniger in Takt blieb. Aber bei vielen meiner Schicksalsgenossen ist es anders.

Am meisten leiden die, die von ihrer nicht verbrannten Umwelt nicht verstanden werden. Am Anfang erkennt jeder, wie schlimm es ist. Später wird es dann aber zu oft vergessen. Und ich nehme mich davon nicht aus. Auch ich vergesse oft, wie sehr jeder einzelne leidet. Meine Arbeit bei Phoenix Deutschland hilft mir dabei es nie ganz zu vergessen.

Bernhard

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